Hallo Welt. Diesen Artikel schrieb ich für die "Visionen", das Magazin des Verein der Informatikstudierenden (VIS) an der ETH Zürich. Er ist in dieser Form in der Januarausgabe 2000 erscheinen. Glasgow 14/3/00. Ruedi Arnold.

Abschnitte: Schottland | Strathclyde | Campus | International | Glasgow | Austausch | think about it! | Infos

Zwei Semester Glasgow

ra. Klar sind RZ, HG und IFW schöne Gebäude, an die Mensa kann man sich auch gewöhnen und Zürich hat einem Urner Studenten als Stadt auch einiges zu bieten. Aber müssen es vier Jahre am Stück sein? Hast Du Dich nie gefragt, wie es wäre, mal wo anders zu studieren, neue akademische Luft und unbekannte Kultur zu schnuppern? Ich habe mir das letzten Frühling so überlegt und mich dann ein bisschen informiert - nun bin ich hier mitten in einer Prüfungs-Session an der Strathclyde University in Glasgow, Schottland! Mit diesem Artikel möchte ich ein bisschen von meinen persönlichen Eindrücken als Erasmus-Student in einer fremden Stadt erzählen, ein wenig informieren und vielleicht ein bisschen zum (nach-) denken anregen.
 

Hallo Schottland

Da Englisch speziell für unser Studium enorm wichtig ist, schien mir eine Englisch-sprachige Region ein wichtiges Auswahlkriterium. Ich stellte dann relativ bald fest, dass Schottland ein heisser Kandidat ist, da unser Departement zwei  bestehende und erprobte Verträge mit schottischen Universitäten (Aberdeen und Glasgow)  hat. Grundsätzlich ist jede Destination möglich, aber man muss dann einfach alles (oder viel mehr) selber organisieren. Also entschied ich mich für Glasgow und die ganze Bewerbungs- und Anmelde-Prozedur lief ziemlich einfach und ohne grossen Aufwand ab; ein paar Gespräche, ein paar E-mails, zwei, drei Formulare ausfüllen und das war's. Das alles passierte letzten Frühling und dann kam der Sommer mit dem zweiten Vordiplom und meine Austausch-Geschichte schlummerte vor sich hin.

Strathclyde University

Der Mensch... Dann war es plötzlich Oktober, das Lernen und die Prüfungen vorbei, ich hatte inzwischen ein Zimmer auf dem Campus der Universität zugesichert bekommen und mein Flugticket organisiert. Jetzt war es soweit: Schottland ich komme! Nach einem ziemlich turbulenten ersten Tag (Gepäck verloren, Abhol-Service am Flughafen klappte nicht usw...) lebte ich mich ziemlich schnell ein. Die Vorlesungen waren schon in der dritten Woche. Ich hatte noch keinen definitiven Stundenplan und war noch nicht einmal registriert; aber das waren natürlich alles lösbare Probleme! Zuerst einmal traf ich meine Kontaktperson von der Uni, ein netter Englischer Dozent der hilfsbereit war und mich gut unterstützte. Und bald sass ich in ersten Vorlesungen mit Schottischen KollegInnen (das quantitative w/m Verhältnis ist ähnlich wie an der ETH, es ist aber nicht ganz so schlimm...) und  war integriert im Leben der Strathclyde Universtity. Dies ist übrigens eine von drei Unis in Glasgow und sie besteht aus zwei Teilen, wobei "meiner", der  John Anderson Campus mitten in der Stadt liegt, fünfzehn Lauf-Minuten zur Central Station. Das Computer Science Department ist im Livingstone Tower im zehnten bis dreizehnten Stock untergebracht. Die Infrastuktur ist ziemlich gut hier, es hat zwei grosse PC Labs und zwei UNIX Labs; mit meiner Access Card habe ich 7*24 Zutritt (ich habe immer noch keine eigene Maschine...) und eine Seite Laserdrucken kostet 5 Pence.
 

Leben auf dem Campus

Nach zwei Wochen kamen dann noch good News aus der Schweiz: Ich hatte das zweite Vordip bestanden. (Generell nimmt mich ja bloss wunder, wer, wo und wieviel da wieder geschraubt und gebastelt hat/ wurde, aber das ist wohl eine andere Geschichte...) Für mich bedeutete dies auch, dass ich bis Mai bleiben kann, denn das ist eine Bedingung, um am Erasmus-Program teilzunehmen. Und ich war auch froh, denn der Vertrag für mein Zimmer ist fix von September bis Mai. Auf dem Universtitäts Campus hat es rund ein Dutzend Studentenwohnhäuser, ich lebe im Flat D7.1 Block D im Gebäude mit dem Namen Thomas Campbell Court. Es ist eine ziemlich internationale 8er WG, meine lieben Wohngenossen kommen aus F, E, D, USA, Malaysien und den Malediven und sind auch Austausch-Studenten. Anmerkung: Heute gab es gerade einen Wechsel: ich habe jetzt einen Schottischen Flatmate aus Edinburgh, dafür keinen mehr aus Malaysien. Auf dem Campus zu wohnen ist ziemlich cool; es ist praktisch, in wenigen Minuten Fussmarsch kann ich alles erreichen: Vorlesungen, Labs, Sports Centre, the Union, Bibliothek, Campus Shop... Dieses System hat mich schon immer fasziniert, ich finde es schade, dass man dies in der Schweiz (ETH) nicht so oder gar nicht kennt. Vielleicht kann sich das in Zukunkt ändern?
 

International Students

...und die Maschinen. (Hier im L10 Lab.) Die Uni bietet viel für Internationale Studenten; es hat auch viele Internationals hier! Speziell erwähnenswert ist sicherlich der International Student Adviser, der legendäre Jim Wilson, er verbreitet immer gut Laune und organisiert viele events, z.B. jeden Mittwoch ein Pubmeeting in einem der rund 400 Pubs von Glasgow. Es ist sehr interessant, man trifft Leute aus aller Welt und kommt sehr einfach in Kontakt mit vielen verschiedenen Personen, Sitten und Kulturen.
Persönlich bin ich froh, dass ich meine Gitarre mitgenommen habe, Musik ist eine so internationale Sprache! Es war zum Beispiel sehr eindrücklich mit rund zehn FranzosInnen als einziger Ausländer "Aux Champs Elysées" zu singen!
 

Glasgow

Der Schottische Akzent ist auch so eine Geschichte für sich. Einige Leute hier im Land der Kilts, Dudelsäcke und des Whiskys sind einfach sehr schwer verständlich; wir hatten einen Dozenten, den manchmal nicht einmal meine schottischen Kommilitonen verstanden! So wie es aussieht werde ich wohl meinen Californischen Akzent beibehalten, den ich mir vor gut zwei Jahren bei einem längeren Amerika-Aufenthalt aneignete, vor allem auch da ich einen Flatmate aus San Diego habe!
Fussball ist ziemlich wichtig hier in Schottland, ich zollte dem Tribut und spielte wieder vermehrt, jeweils donnerstags mit Schottischen 3rd Year CS Students, das war lässig. Und Rangers gegen Celtic ist eine grosse Sache hier; alle Welt dachte, dass ich Celtic Fan bin, wegen meiner grünen Haare, dabei bin ich nicht einmal irisch! ;-)
Glasgow ist die grösste Stadt von Schottland, hat etwas weniger Einwohner als Zürich und war letztes Jahr die UK City of Architecture and Design! Es ist die Heimatstadt des Architekten Charles Rennie Mackintosh und der Rockband Texas. Um es kurz zu machen: Diese Stadt bietet einiges und stellt so ziemlich das Zentrum von Schottland dar.
 

INFK und Austausch

Prof. Dr. Moira Norrie betreut als Koordinatorin unseres Departements seit gut drei Jahren AustauschstudentInnen von und nach ETHZ und mit Ihr hatte ich vor allem zu tun, die Mobilitätsstelle erlebte ich mehr im Hintergrund. Es erstaunt mich ganz allgemein, wie wenig Studenten von den bestehenden Angeboten Gebrauch machen. Die letzten Jahre waren waren es pro Jahr etwa eine handvoll ETH Informatik StundentInnen, die sich für ein Austauschprogramm entschieden, und in etwa gleich viele genossen Gastrecht am INFK Deptartement der ETHZ, vorwiegend Leute aus Deutschland und Schweden. An anderen Departementen sieht dies anders aus, da verreisen bis zu einem Drittel der Studierenden! Klar hat dies nichts zu sagen, und klar sind wir (ETH-) InformatikerInnen...
Frau Norrie ist auch immer aktiv interessiert, Kontakte zu frischen Universitäten zu knüpfen. Zur Zeit gibt es neue Tendenzen mit Schweden (Hallo Kaspar, Grüsse nach Linköping!), Edingburgh und Manchester. Generell bevorzugen die meisten Leute (verständlicherweise) Englisch-sprachige Destinationen, wobei zu sagen ist, dass es ziemlich schwierig ist, einen Platz in den USA zu finden, und dass auffallend viele Studenten Schottland wählen. Das Kreditpunkte-System in unserem Fachstudium stellt einen unterstützenden Pluspunkt dar; da wir keinen fixen Vorlesungsplan haben, lässt sich einfacher ein äquivalentes Pensum zusammenstellen. Dies heisst konkret, dass mir für die Vorlesungen hier ETH-Kreditpunkte angerechnet werden, wobei aber nicht mehr als 60 Austausch-Kreditpunkte erlaubt sind. Abschliessend möchte ich noch Frau Norrie danken, die mich bei der Wahl des Stundenplans und bei dem ganzen administrativen Zeugs immer gut unterstützt hat, dies immer noch und hoffentlich auch weiterhin tut. Besten Dank aus Glasgow!
 

think about it!

Zum Schluss möchte ich sagen, dass es mir hier in Glasgow bisher sehr gut gefällt. Wer dies nicht glaubt, kann sich gerne vom Gegenteil überzeugen und ein Auge in meine Webgallerie werfen! Durch Gespräche und Gegebenheiten lernt man viele neue Leute und Kulturen kennen, man bekommt neue Eindrücke und Einsichten; man lernt, auch nicht-Informatisches! Im weiteren sind für mich auch Vergleiche spannend. Es ist interessant zu sehen, dass Informatiker hier im Grossen und Ganzen auch etwa das selbe tun und lernen wie wir. Es lassen sich aber in verschiedensten Bereichen auch viele Unterschiede wahrnehmen, wiederum nicht bloss aufs Akademische bezogen. Ich denke ein bisschen Ausbildung an einer anderen Stätte als der ETH kann als Komplement nicht schaden. Und ich glaube noch kaum jemand hat je einen Auslandaufenthalt bereut!

Ganz zum Schluss möchte ich meinen Dank noch an alle Leute richten, die mich unterstütz(t)en und mir dies ermöglich(t)en, im speziellen an Cyrille Artho und (natürlich) meine lieben Eltern.

Ruedi Arnold, 5. Semester, Glasgow, Januar 2000.
 

Für mehr (online-) Infos:


Glasgow January 2000. RuediArnold.